Gastrointestinale Endoparasiten bei herbivoren Landschildkröten in Deutschland

Malek Hallinger, Tierarzt (DVM), Zusatzbezeichnung Reptilienkrankheiten, Geschäftsführung & Laborleitung exomed GmbH (Veterinärlabor)

Parasiten bei Landschildkröten

Limitiertes Platzangebot sowie die Widerstandfähigkeit mancher parasitären Stadien, aber auch Haltungsfehler machen in Gefangenschaft gehaltene Reptilien anfällig für sogenannte gastrointestinale Endoparasiten (Innenparasiten, z.B. Einzeller und Würmer). Obligat krankmachende Parasiten (z.B. Spulwürmer, Oxyuriden, Hexamiten) sollten von fakultativ krankmachenden (z.B. Darmflagellaten und -ziliaten, Amöben, Blastozystis) in regelmäßigen parasitologischen Untersuchungen abgegrenzt werden.

Letztere kommen natürlicherweise im Gastrointestinaltrakt (Verdauungstrakt) von herbivoren Landschildkröten, aber auch anderen Reptilienspezies mit einem geringgradigen bis moderaten Befall vor (Kommensalen), führen jedoch unter bestimmten Bedingungen zu äußerlich sichtbaren Krankheitssymptomen, werden dann in erhöhter Anzahl ausgeschieden und spielen auch nur dann eine therapeutische Rolle.

Massive Oxyuriden-Infektionen führen beispielsweise zu klinischen Symptomen wie Fressunlust und wässriger Diarrhö, Gewichtsverlust und sogar perakutem („plötzlichem“) Versterben. Jungtiere scheinen anfällig für Oxyuridose zu sein.

Bild1: adulter Oxyuride unter dem Mikroskop
Bild 1:
adulter Oxyuride unter dem Mikroskop
Foto:exomed, M.Hallinger

So tritt dieses Krankheitsbild als Faktorenkrankheit häufig assoziiert mit Lebererkrankungen, Nierenerkrankungen und Panzerweiche auf. So sollte Oxyuridose bei herbivoren Landschildkröten als wichtige Parasitose angesehen werden. Des Weiteren kommen die diverse andere Endoparasitosen ebenso vor.

So ist beispielweise eine Infektion mit Askariden auf Grund der Körperwanderung für den Wirt als problematischer anzusehen als jene mit Oxyuriden, auch die Vorkommenshäufigkeit für fakultativ pathogene Endoparasiten sind relativ hoch und liegen in eigenen Untersuchungen vor. Bei sezierten Schildkröten waren 77,6% mit Innenparasiten infiziert, insgesamt sind 28,6% der Tiere an Parasiten verstorben.

Infektionen mit obligat bis fakultativ krankmachende parasitäre Spezies sind in einer parasitologische Untersuchung (Kotuntersuchung) vor dem Einbringen neuer Tiere in den Bestand oder einem neuen Besitzer als obligatorisch anzusehen. Ebenso sollte die parasitologische Untersuchung bei herbivoren Landschildkröten auf Grund der hohen Prävalenz jährlich einmal vor und einmal nach der Winterruhe erfolgen.

Hierzu bieten es sich an die Tiere das erste Mal testen zu lassen, bevor sie ins Frühbeet gelangen (März, April) und bei positivem Befund behandeln zu lassen, um in den Sommermonaten den Infektionsdruck zu senken. Das zweite Mal sollten sie zur Vorbereitung auf die Hibernation getestet werden (also im August/September).

Bild 2: ausgeschiedene Spulwürmer (Askariden) Gr. Landschildkröte
Bild 2:
ausgeschiedene Spulwürmer (Askariden) Gr. Landschildkröte
Foto:exomed, M.Hallinger

Routinemäßige parasitologische Untersuchung (Kotproben)

Ein Parasitenbefall (Innenparasiten) kann bei Tieren anhand der Untersuchung des Kotes nachgewiesen werden. Diese Untersuchung umfasst bei allen Tieren den Nachweis der meisten Würmer und Einzeller (ausgenommen Kryptosporidien, siehe IFT). Routinemäßig sollte beispielsweise bei Landschildkröten diese Untersuchung bei Neuzugängen während der Quarantäne sowie vor Vergesellschaftung (z.B. zur Paarung) durchgeführt werden.

Achtung: Eine einmalige parasitologische Untersuchung kann nicht mit Sicherheit das Bestehen einer Parasitose ausschließen, da viele Parasiten intermittierend (unregelmäßig) ausgeschieden werden. Daher sollte nach Möglichkeit eine Sammelprobe eingeschickt oder mehrere Einzelproben untersucht werden. Auch augenscheinlich gesunde Tiere können Parasiten in sich tragen, sodass regelmäßige Untersuchungen sinnvoll sind.

Eine der häufigsten Fragen, die uns gestellt werden, ist, welche parasitären Stadien bei der routinemäßigen Untersuchung erkannt werden: Nachweisbar sind bei Landschildkröten u.a. Pfriemenschwänze (Oxyuriden), Spulwürmer (Askariden) und Einzeller (Blastozystis, Balantitidium, Hexamiten, uwm). Je nach Parasit und Befallintensität sind unterschiedliche Medikamente anzuwenden;

Parasiten bei Landschildkröten-Bild 3: ausgeschiedene Spulwürmer einer T. hermanni im Größenvergleich
Bild 3:
ausgeschiedene Spulwürmer einer T. hermanni im Größenvergleich
Foto: exomed, M.Hallinger

Zwangsläufig krankmachende (obligat pathogene) Parasiten (z.B. Spulwürmer, Oxyuriden, Hexamiten) sollten von fakultativ – also möglicherweise – krankmachenden Darmbewohnern (z.B. Darmflagellaten und -ziliaten, Amöben, Blastozystis) in regelmäßigen parasitologischen Untersuchungen abgegrenzt werden. Nicht jeder Nachweis eines Darmbewohners ist also behandlungsrelevant und sollte im Einzelfall mit dem/der behandelnden TierarztIn abgesprochen werden.

Zu beachten ist jedoch, dass Untersuchung einer Kotprobe auch nicht den Besuch beim Tierarzt ersetzen kann. Mit unserem Befund und dem damit verbundenen Behandlungsvorschlag kann ihr/e TierarztIn jedoch entscheiden, ob ihr Tier eine Entwurmung oder Parasitenbehandlung benötigt und welches Medikament für eine gezielte Behandlung am besten geeignet ist.

Kotproben

Die Proben müssen möglichst frei sein von Beimengungen wie Bodensubstrat, Urat (der kristalline Anteil des Urins bei Reptilien, weist eine weiße bis gelbliche Farbe und pastöse bis krümelige Konsistenz auf), Zellstoff, Watte und ähnlichem, da diese Beimengungen die Untersuchungen erschweren oder gar verfälschen können. Die Probe sollte so frisch wie möglich zur Untersuchung gelangen. Um ein Austrocknen der Probe zu verhindern, empfiehlt es sich, wenige Tropfen Leitungswasser zuzufügen.

Immunofluoreszenttest (IFT)

Für den Nachweis von Kryptosporidien (einzellige Parasiten des Verdauungstraktes) ist dieses Verfahren besonders geeignet. Bei Reptilien kommt diese Parasitose relativ häufig bei Leopardgeckos und Schlangen vor, aber auch andere Landschildkröten liegen Berichte vor, dass diese teilweise dramatisch an diesen Parasiten erkranken können.

Der IFT funktioniert folgendermaßen: Ein markierter Antikörper bindet spezifisch (Schlüssel-Schloss-Prinzip) an das gesuchte Antigen (z.B. Kryptosporidien- Oozysten, Giardien- Zysten usw.). Nach einer Inkubationszeit werden die Antikörper abgewaschen und bei positivem Befund leuchtet die Markierung des gebundenen Antikörpers unter den Fluoreszenzmikroskop auf. Der Vorteil gegenüber anderen Methoden liegt in der Möglichkeit begründet auch die Morphologie des potenziellen Antigens beurteilen zu können. Dieses Verfahren hat eine sehr hohe Sensitivität (Fähigkeit zum Erregernachweis) und Spezifität (reagiert nur auf die nachzuweisenden Parasitenarten).

Krankheitsrisiken durch Parasiten, aber welche?

Oxyurideninfektionen sollen teilweise gut vom Wirt toleriert werden; Infizierte juvenile Schildkröten zeigen eine bessere Verdaulichkeit und Gewichtszunahme im Vergleich mit nichtinfizierten Tieren, außerdem scheinen Oxyurdien die bakterielle Darmflora zu regulieren. Massive Oxyuriden-Infektionen führen jedoch zu klinischen Symptomen wie Anorexie und wässriger Diarrhö, Gewichtsverlust und sogar perakutem (plötzlichem) Versterben.

Jungtiere scheinen anfällig für Oxyuridose zu sein. So tritt dieses Krankheitsbild als Faktorenkrankheit häufig assoziiert mit Lebererkrankungen, Nierenerkrankungen und MBD (Metabolic Bone Disease, Panzerweiche) auf. So sollte Oxyuridose bei herbivoren Landschildkröten als wichtige Parasitose unter inadäquaten Haltungsbedingungen angesehen werden.

Des Weiteren kommen anderen Endoparasitosen vor. So ist beispielweise eine Infektion mit Askariden auf Grund der Körperwanderung für den Wirt als problematischer anzusehen als jene mit Oxyuriden, jedoch die Prävalenz für Ascaridose ´glücklicherweise bei Landschildkröten relativ klein.

Parasiten bei Landschildkröten-Bild 8 Wurmhaufen, adulte Oxyuriden auf einem Objektträger
Bild 8
Wurmhaufen, adulte Oxyuriden auf einem Objektträger
Foto:exomed, M. Hallinger

Prävalenzen liegen für fakultativ pathogene Endoparasiten sind relativ hoch und liegen in eigenen Untersuchungen vor: Flagellaten (21,68%), Nyctotherus sp. (7,27%), Balanditidien (6,29%) sowie Blastozystis sp. (6,29%).

Fazit: Parasiten bei Landschildkröten

Infektionen mit obligat (zwangsläufig krankmachenden) bis fakultativ pathogenen (möglicherweise krankmachenden) parasitären Spezies ist eine parasitologische Untersuchung vor dem Einbringen neuer Tiere in den Bestand oder einem neuen Besitzer als obligatorisch anzusehen.

Ebenso sollte die parasitologische Untersuchung bei herbivoren Landschildkröten auf Grund der hohen Prävalenz (Vorkommenshäufigkeit) nach der Winterruhe und vor der Hibernation als obligat angesehen werden.

Quelle: Hallinger MJ, Taubert A, Hermosilla C, Mutschmann F. Occurrence of health-compromising protozoan and helminth infections in tortoises kept as pet animals in Germany. Parasit Vectors. 2018;11(1):352. Published 2018 Jun 18. doi:10.1186/s13071-018-2936-z

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Ebenso bieten wir ein breites Spektrum im Bereich Mikrobiologie (Bakterien, Pilze, Umweltkeime, Darmflora) und Sektionen an. Wir arbeiten nach neuesten wissenschaftlichen Standards und stehen in regem Kontakt mit TierärztInnen, ZüchterInnen, Universitäten und verschiedenen Forschungseinrichtungen im In- und Ausland sowie Partnerlaboren. Des Weiteren betreiben wir Forschung im Bereich Parasitosen von Kaltblütern (Reptilien und Amphibien), sodass in den letzten Jahren mehrere wissenschaftliche Arbeiten in Form von Publikationen in unserem Hause entstanden sind.

 

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