Hydroponik – Schildkrötenfutter-Anbau 2.0 von Thorsten Geier

Hydroponik – Schildkrötenfutter-Anbau 2.0
von Thorsten Geier (www.schildkroetenfreund.de)

Gefühlt ist inzwischen die Hydroponik „in aller Munde“. Bei nahezu jedem Besuch im Supermarkt oder im Discounter stößt man auf beispielsweise Salat oder Kräuter, die nach dem Hydroponik-Prinzip kultiviert werden. Dabei versteht man die erdenlose Kultur von Pflanzen in Wasser (also in einer Nährlösung). Die Vorgehensweise ist ähnlich wie die der klassischen Hydrokultur – also eigentlich nichts neues.

Durch einen Zufall bin ich auf die Hydroponik gestoßen. Im Frühjahr 2018 hatte mein Gartenteich sehr mit einer übermäßigen Algenbildung zu kämpfen. Der allgemeine Rat war möglichst viel Pflanzen in den Teich zu bringen, die dem Wasser Nährstoffe entziehen. Es gibt eine ganze Reihe von Teichpflanzen, die hier möglich sind (z.B. Muschelblume oder Weidenäste, die im Wasser gut anwurzeln und weiterwachsen). Bei der Suche nach weiteren wasserliebenden Pflanzen bin ich auf die Hydroponik (bzw. Aquaponik) gestoßen. Die Faszination war sofort gegeben.

Abb. 2 Dieser Teich mit übermäßig viel Algen brachte mich auf die Idee eine Hydroponikanlage zu bau
Abb. 2
Dieser Teich mit übermäßig viel Algen brachte mich auf die Idee eine Hydroponikanlage zu bauen

Inzwischen habe ich meine Hydroponik-Anlage sehr stark ausgebaut und „ernte“ seit einigen Jahr sehr viel Pflanzen, Schildkrötenfutter sowie Obst und Gemüse für unsere Ernährung. Die Tatsache, dass ich die Futterpflanzenkultur für meine Schildkröten kombinieren kann mit Salat und anderen Pflanzen bzw. Lebensmitteln freut mich daher sehr.

Neben der Hydroponik habe ich deswegen auch eine Bewässerungsmöglichkeit für einige hundert Topfpflanzen gebaut, von der ich wirklich begeistert bin. Denn ob in den verschieden großen Töpfen Futterpflanzen für meine Schildkröten gedeihen oder Salat, Tomaten und Paprika für unsere Ernährung wächst, ist eigentlich egal.

Neben einem zweiteiligen Artikel in der Zeitschrift „Schildkröten im Fokus“ habe ich auch mehrere Vorträge gehalten und hier und da im persönlichen Gespräch über das Thema Hydroponik berichtet. Einige Schildkrötenfreunde und Bekannte konnte ich überzeugen, selbst verschiedene hydroponische Anlagen zu bauen. Das freut mich sehr, weil ich darin einen sehr großen Pluspunkt für Schildkröten, für uns Menschen und sogar für die Natur/Umwelt sehe.

Dadurch, dass die Pflanzen nicht mehr klassisch in Erde kultiviert werden, fallen eine handvoll Schädlinge (Schnecken, Käfer, Fliegen, Maden etc.) generell weg. Zudem kann eine gute Menge an Blumenerde eingespart werden. Da es sich um einen geschlossenen Kreislauf handelt, wird kein Gießwasser – bzw. vor allem Dünger – mehr verschwendet und in die Natur geleitet.

Wenn man Pflanzen im Boden oder in Töpfen gießt, fließt nämlich zwangsläufig eine Menge Wasser davon (Stichwort Wasserknappheit bzw. Versalzung des Grundwassers durch Dünger). Und auch der „Wasserverbrauch“ ist bei einem solchen Hydroponik-System sehr niedrig – manche Betriebe sprechen tatsächlich von einer Einsparung von 70 oder 80 % Gießwasser.

Verschiedene Systeme

Zunächst unterscheidet man zwischen einem passiven und aktiven System. Passive Systeme funktionieren ohne Pumpensystem und ohne Sauerstoffsprudler. Sie sind daher relativ eigenständig. Bei aktiven System ist man jedoch auf Pumpen und ggf. den Einsatz von Sauerstoffsprudlern angewiesen -also wird Strom benötigt (nicht immer in Gärten bzw. Schrebergärten vorhanden).

Das Systeme Ebbe und Flut sowie Rinnentechnik habe ich bereits ausgiebig getestet. Das Prinzip der Rinnentechnik setze ich seit Jahren erfolgreich um.

An dieser Stelle möchte ich jedoch den Fokus auf ein sehr einfaches hydroponisches System setzen, welches jeder zu Hause mit ganz einfachen Mitteln umsetzen und testen kann. Es würde den Rahmen des vorliegenden Berichts sprengen, alle anderen (aufwändigen) Systeme im Detail zu erklären. Dazu wären beispielsweise meine bereits veröffentlichten Artikel (siehe Link) eine große Hilfe.

Die Tiefwasser-Kultur (engl. deep water culture, abgekürzt dwc) (oder auch Kratky-Methode) ist eine passive Version der Hydroponik. Die Pflanzen werden in das Behältnis gestellt. Ein nur kleiner Teil des Erdballens bzw. der Wurzeln ragen in das Wasser. Und genau hier liegt die Besonderheit. Die Wurzeln wachsen in das darunter befindliche Reservoir mit nährstoffreichem Wasser. Der Wasserstand sinkt zwar, jedoch ist kein Auffüllen nötig, da die Wurzeln immer tiefer in das Wassergefäß ragen. Es eignen sich sowohl kleine Kisten als auch große Styrodurmatten, die in Wassertonnen oder sogar auf groß angelegten Wasserflächen zum Einsatz kommen.

Beispiel Salatbox

Es funktioniert tatsächlich! Diese Version der Tiefwasser-Kultur kommt ohne Strom aus. Das Prinzip ist sehr einfach und gelingt sehr gut. Sie benötigen eine dunkle (nicht transparente) Kunststoffkiste mit Deckel (ca. 10,– €). In den Deckel werden Löcher für die Netztöpfe (ca. 0,20 € pro Stück) im entsprechenden Durchmesser gebohrt. Dazu ist die Verwendung eines Kronenbohrers (ca. 15,– €) von großer Hilfe. Denken Sie daran genügend Abstand zwischen den Töpfen zu lassen, damit sich jede Pflanze gut entwickeln kann.

Abb. 6 Salatpflanzen werden in die Salatbox gesetzt
Abb. 6
Salatpflanzen werden in die Salatbox gesetzt

Die Wurzeln der Jungpflanzen werden vorsichtig von der Erde befreit (bei eigener Zucht) und in den Netztopf* mit Hydrokulturkugeln gesetzt. Bei gekauften Jungpflanzen sind die Wurzeln meist recht fest in die kleinen Erdtöpfe gepresst, so dass man hier lieber die Pflanzen direkt inkl. Erdballen verwendet (mit Hilfe von Hydrokulturkugeln* gegen ein Umfallen fixieren).

Abb. 7 Gut zwei Wochen später sind die ersten Pflanzen beinahe „erntereif“
Abb. 7
Gut zwei Wochen später sind die ersten Pflanzen beinahe „erntereif“

Anfangs stehen die Netztöpfe für ca. 1 cm in Wasser. Die nun wachsenden Wurzeln ragen dauerhaft in das vor Licht geschützte Wasser mit Nährlösung. Ein Wasserwechsel bzw. ein Nachfüllen ist (trotz sinkendem Wasserstand) nicht nötig, weil die Wurzeln immer tiefer in das Wasser ragen/wachsen. Der EC-Wert sollte meiner Erfahrung nach anfangs bei 900 μS/cm liegen. Nach zwei Wochen sollte man den Wert auf 1.000 bis 1.100 μS/cm erhöhen. Bei Salat erfolgt die Ernte nach bereits ca. 3 Wochen.

Abb. 8 Nach drei Wochen ist der Salat fertig. Es sind sehr schöne und volle Salatköpfe entstanden
Abb. 8
Nach drei Wochen ist der Salat fertig. Es sind sehr schöne und volle Salatköpfe entstanden

Dünger und Nährstoffe

Bei der klassischen Aussaat in Erde (idealerweise Anzuchterde oder Pikiererde) ist bereits eine kleine Menge Dünger vorhanden, damit die Keimlinge bzw. Jungpflanzen gut wachsen. Später sollte umgetopft werden in eine hochwertige Universal-Blumenerde bzw. es muss nachgedüngt werden.

Bei der Hydroponik ist der Faktor Dünger (also die Nahrung der Pflanzen) sehr wichtig. In normalem Leitungswasser sind bereits ein paar wenige Nährstoffe (ca. 480 μS/cm) enthalten. Regenwasser enthält hingegen nur sehr wenige Nährstoffe (unter 100 μS/cm). Für die Kultur der Pflanzen in der Hydroponik sollte das Wasser immer moderat aufgedüngt werden. Ich halte mich da an meinen eigenen Richtwert von etwa 1000 μS/cm. Wenn ich früher Dünger für Kübelpflanzen oder für Gemüsepflanzen verwendet habe, habe ich mich an die Anleitungen der Düngemittelhersteller gehalten.

Am Beispiel Blaukorn flüssig hatte ich hier Düngewerte von ca. 9.000 μS/cm gemessen (wovon ja wie bereits geschildert viel durch Versickerung überflüssigerweise in das Erdreich gelangte). Meinen Hydroponik-Wert von etwa 1.000 μS/cm ist da im Vergleich wirklich relativ gering (konstant niedrig anstelle unregelmäßige hohe Gaben). Das Messen des Düngewertes kann mit einem EC-Messgerät* durchgeführt werden (Kosten ca. € 20,-).

Welche Pflanzen eignen sich?

Für die Ernährung unserer Schildkröten eignen sich bittere Salate, Golliwoog®, Hirschhornwegerich, Malven, Kapuzinerkresse, Portulak, Pimpinelle, Fette Henne, Löwenmäulchen, Raps, Sonnenblumen und diverse Mischungen gut mit der Hydroponik kombinieren.

Für unsere eigene Ernährung habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht mit Basilikum, Tomaten, Gurten, Zucchini, Paprika, Melone, Aubergine, Peperoni, Chili, Mangold, Broccoli, diverse Salate, Erdbeeren, Physalis, Rosmarin.

Abschließende Bemerkung

Die im vorliegenden Bericht gezeigte Möglichkeit der scheinbar „automatischen“ Erzeugung von Futterpflanzen „im Überfluss“ soll keineswegs den Eindruck vermitteln, unsere Schildkröten massig und unkontrolliert mit Futter zu versorgen. Der verantwortungsvolle Halter weiß, dass gerade auch karge Pflanzen, saisonal unterschiedliches Futter bzw. „Futterpausen“ oder bspw. trockene Kost in den Sommermonaten für Europäische Landschildkröten von extremer Wichtigkeit sind. Je nach Art – ob beispielsweise eine kleine Griechische Landschildkröte oder eine sehr groß werdende Spornschildkröte – haben die Tiere sehr unterschiedliche Bedürfnisse – auch was die Ernährung anbelangt.

Mein Artikel soll die Möglichkeit zeigen, wie man mit relativ einfachen Mitteln ein sehr gutes Futterpflanzen-Management aufstellen kann. Das soll sowohl für Halter von einzelnen Tieren eine Hilfe sein, aber auch Haltern mit zahlreichen (großen, ggf. winterwachen) Schildkrötenarten, Auffangstationen oder Zoos Denkanstöße bieten.

Sogar als Hilfe für die Urlaubsbetreuung oder für Familienmitglieder, die sich während Ihrer Abwesenheit um Ihre Tiere kümmern, die Hydroponik eine wertvolle Hilfe und vor allem eine Arbeitserleichterung sein. Dies habe ich bereits erfolgreich getestet bzw. durch meine Familie testen lassen. Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, dass wir unsere Schildkröten dauerhaft mit „üppigem“ Grün bzw. mit Salat (dieser wächst in der Hydroponik eben sehr schnell und hat mir zahlreiche Tests ermöglicht) ständig und übertrieben zu füttern. Denn das wäre je nach Schildkrötenart alles andere als naturnah.

Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich gerne an mich. Ich freue mich sehr über Feedback und ebenso über Fotos Ihrer eigenen hydroponischen Anlage – egal ob groß oder klein.

 

Autor
Thorsten Geier
Thorsten.Geier@kleintierverlag.de
www.schildkroetenfreund.de
Artikel 1: Schildkröten im Fokus – Ausgabe 2/2020, 6,50 € (kleintierverlag.de)
Artikel 2: Schildkröten im Fokus – Ausgabe 3/2020, 6,50 € (kleintierverlag.de)

Visited 729 times, 1 visit(s) today

Schreibe einen Kommentar