Auch dieses Jahr haben unsere griechische Landschildkröten die Hibernation sehr gut überstanden. Während es im letzten Jahr schon Anfang/Mitte März die ersten Tiere ins Freie zog, war es in diesem Jahr, bedingt durch eine längerer Kälteperiode im Februar/März, erst Anfang April so weit. Wie auch in den letzten Jahren war es unsere Susi, die als erste die Überwinterungsgrube verließ und sich unter der Wärmelampe gemütlich machte.
Unsere Tiere halten ihre Kältestarre jetzt schon seit 4 Jahren im Schildkrötenhaus in einer Grube mit ca. 60 cm Tiefe. Diese hatte ich, damit auch wirklich keine Fressfeinde von unten durchkommen, komplett mit Gehwegplatten ausgelegt.
Als „Frostschutz“ ist ein Wärmekabel im Deckel angebracht. Gekoppelt mit einem Thermotimer springt das das Wärmekabel an, wenn die Temperatur unter 2 Grad fallen sollte. Den Fühler des Thermotimers hierzu habe ich direkt an der Oberfläche liegen. Zur Kontrolle ist ein Datenlogger im Büro, der mit die Daten anhand eines Fühler in der Grube übermittelt und alle 15 Minuten aufzeichnet. Zum Vergleich der Temperaturen wurde noch ein Fühler im Außenbereich angebracht.
Kalte Nächte im Hunsrück
Interessant waren dann die letzten, wirklich kalten Frostnächte. So wurde morgens gegen 3 Uhr eine Temperatur im Freigehege von Minus 17,4 Grad gemessen! In der Überwinterungsgrube waren auf der Oberfläche zu diesem Zeitpunkt plus 1,5 Grad. Während ich vor paar Jahren dadurch noch nervös wurde, sehe ich das jetzt doch etwas entspannter. Die Tiere haben ja immer noch die Möglichkeit sich tiefer zu vergraben. Einige tun es, andere bleiben aber auch bei diesen Temperaturen auf der Oberfläche.
Ich finde es auch nicht mehr so dramatisch, wenn die Temperatur auch mal, wie in dieser Nacht, so tief absinken. Zwar war das Wärmekabel auch angesprungen, aber bis der Boden in der Grube gefriert und die Kälte bei den Tieren ankommt, müsste es schon über längere Zeit solche tiefe Temperaturen herrschen.
Dafür ist das Schildkrötenhaus auch zu gut isoliert und die Schildkröten können notfalls auch bis 60 cm Tiefe graben. Auch gibt es mal wärme Tage im Schildkrötenhaus. So waren im März paar warme Tage dabei, die unsere Susi nutzte um kurz “Hallo” zu sagen und was zu trinken. Doch nachdem die Temperaturen wieder in die Minusbereiche gingen, hatte sie sich eingegraben und war wieder verschwunden. Im Übrigen starren unsere Nachzuchten mindestens genauso lange wie die adulten Tiere. Aufgrund der geringeren Körpermasse können die Kleinen die Wärme nicht so lange speichern wie die älteren Tiere.
Dadurch beginnen sie auch früher mit der Vorbereitung zur Starre bzw. starren dann länger. Für mich eigentlich unverständlich, das sogenannte “Züchter” neuen Haltern eine verkürzte oder sogar für die die ersten Jahre gar keine Starre für Jungtiere empfehlen! Sieht man sich das Leben der Schildkröten in ihren Habitaten an, muss man nicht lange überlegen um herauszufinden, das Schlüpflinge mindestens genauso lange starren wie Alttiere (zumindest wurde meines Wissens noch niemand beobachtet, der Schlüpflinge in ihrem natürlichen Lebensraum noch schnell vorher einsammelt und noch bisserl warm hält).
Diese Aussagen sind für mich eigentlich nur Alibi-Aussagen, um noch schnell z.B. das Weihnachtsgeschäft mitzunehmen oder um “Reklamationen” vorzubeugen. Die Natur selektiert aus. Kranke und schwache Schlüpflinge versterben oft in der Starre. Wird ihnen die Starre vorenthalten, überleben sie zwar den Winter aber man tut ihnen damit nicht unbedingt einen Gefallen. Diese kränkeln dann zum Teil Jahre vor sich hin und sterben relativ früh. Besonders die Fehler, die zu Anfang gemacht werden, sind später kaum wieder zu korrigieren.
Schwankende Temperaturen machen den Tieren gar nichts aus. Sieht man sich ihre Habitate mal an, gibt es dort auch wärmere Phasen, wo die Tiere wach werden, was fressen oder trinken und sich wieder verziehen sobald es wieder kälter wird.
Kältestarre in freier Natur
Ganz interessant ist hier eine Studie von Ivo Evstatiev Ivanchev, Sofia, Bulgarien: „Überwinterung von Testudo hermanni und Testudo graeca in der Natur und unter sehr naturnahen Bedingungen in Bulgarien „ (Schildkröten im Fokus, 2007). Hier wurde innerhalb der dreijährigen Zeitspanne die niedrigste Außentemperatur mit -26,5 Grad und die niedrigste Temperatur in der Überwinterungsgrube mit -5 Grad gemessen. Die längste konstante Frostperiode in der Grube lag bei -4 Grad über einer Dauer von sieben Tagen (Ivanchev 2007/ Gunda Meyer de Rojas 2017*).
Durch eine erhöhte Glucosekonzentratrion im Blut (Erler 2013, Gunda Meyer de Rojas 2017) können die Tiere auch solche Temperaturen eine gewisse Zeit lang überstehen. Diese Außentemperaturen kommen selbst im Hunsrück wohl eher selten vor. Aber es ist gut zu wissen, das die Tiere auch solche Extremtemperaturen in ihren Habitaten, wie in Bulgarien, ohne Schäden überstehen (gilt jetzt speziell für unsere Tiere!).
Auch hört und liest man immer wieder, das Schildkröten im Herbst nicht mehr auffindbar waren und im nächsten Frühjahr putzmunter im Gehege aufgetaucht sind. Auch bei uns hatte sich vor einigen Jahren ein Männchen im Herbst aus dem Staub gemacht. Im Frühjahr des Folgejahrs hatte unser Nachbar das Tier aus seiner Terrasse beim sonnen entdeckt. Also ist auch eine Hibernation im ungeschützten Freigehege rein theoretisch möglich, aber nicht zu empfehlen. Fressfeinde, wie Mäuse, Ratten etc. können dem Tier Schaden zu fügen. Aber auch starker, einsetzender Regen der über Nacht gefriert kann für die Tieren verheerend sein (Bidmon 2001).
Ich hatte vor 2014 die Tiere noch im Kühlschrank starren lassen. Damals hieß es immer wieder, das die Schildkröten konstant bei 4-6 Grad starren sollen. Doch hört man sich mal um, recherchiert selbst nach, liest Bücher über das Leben in ihren Habitaten kommt man doch schnell zur Erkenntnis, das eine Starre geschützt im Freigehege die weitaus natürlichere und bessere Art der Kältestarre ist.
Schildkrötenjahr 2018
Das Schildkrötenjahr 2018 bei den europäischen Landschildkröten hat also begonnen (unser Spaltenschildkröten halten ja keine Kältestarre!..:-)). Was liegt jetzt bei so uns an? Nachdem ich im letzten Jahr eine Futterwiese angelegt hatte, wurden vor ein paar Tagen die Arbeit am neuen Babygehege abgeschlossen.
Von einer lieben Schildkrötenfreundin hatte ich ein Alltop-Frühbeet günstig bekommen. Für die Nachzuchten (sind aber auch nur zwei) wurde vorher ein Teil des Männchengeheges genutzt. Nach dem Bau des Babygeheges (ca. 2,5 qm) haben die Männer nun wieder ca. 3 qm mehr Platz und auch das Doppelfrühbeet können die vier wieder alleine für sich beanspruchen.
Mehr ist für dieses Jahr auch nicht geplant, außer die üblichen Arbeiten und kleine Veränderungen/Optimierungen in den Freigehegen.
Denn Merke: Ein Freigehege für europäische Landschildkröten wird NIE fertig!
Wünsche allen ein tolles Schildkrötenjahr 2018!