Bericht und Fotos von Sylvia Grenz und Tobias Friz
In diesem Artikel berichten Sylvia Grenz und der erfahrene Reptilientierarzt Tobias Friz eindrucksvoll von den Herausforderungen und der erfolgreichen Behandlung einer europäischen Landschildkröte, die unter lebensbedrohlicher Legenot litt. Die Geschichte verdeutlicht nicht nur die Wichtigkeit artgerechter Haltung und sorgfältiger Beobachtung dieser faszinierenden Tiere, sondern hebt auch die entscheidende Rolle spezialisierter Tierärzte hervor. Ein bewegendes Beispiel für Engagement und Fachwissen im Einsatz für das Wohl unserer tierischen Begleiter.
Vielen Dank an die beiden für diesen eindrucksvollen Bericht!
Bericht Sylvia Grenz:
Als langjährige, erfahrene Halterin von 10 europäischen Landschildkröten berichte ich heute von meinem 18 jährigen Weibchen, das im Sommer 2023 trotz artgerechter Haltung im Außengehege mit Gewächshaus und Technik und jährlicher, überwachter Starre in der Grube unter lebensbedrohlicher Legenot litt und lange Zeit beim Tierarzt verbringen musste.
Mein Weibchen legte wie gewohnt Anfang Juni 2023 ihr erstes Gelege mit 6 Eiern ab. Ihr Verhalten war bis Anfang Juli wie gewohnt unauffällig. Sie fraß, sie sonnte sich, sie war aktiv.
Anfang Juli unternahm sie Probegrabungen für ihre zweite Eiablage. Jedoch beendete sie ihren begonnenen Legevorgang immer wieder. Irgendetwas stimmte da nicht. Litt sie unter Legenot? Mitte Juli veränderte sie ihr Verhalten rapide. Sie zog sich zurück, sie bevorzugte kühle, dunklere Verstecke, sie fraß nur noch vereinzelte angebotene Löwenzahnblätter. Ich beobachtete ihr seltsames Verhalten sorgenvoll. Ich stellte fest, dass sie mittlerweile zu schwach war, um ihre Eier selbständig abzulegen und stellte sie meinem sehr erfahrenen Reptilientierarzt Tobias Friz vor.
Das Röntgenbild zeigte 6 Eier, wovon 1 Ei im Becken steckte. Es bestand akute Lebensgefahr. Nur durch einen stationären Aufenthalt mit fachgerechter Behandlung hatte mein Weibchen eine Chance, dies zu überleben. Nach einem ausführlichen Aufklärungsgespräch übergab ich meine Schildkröte Herrn Friz, mit vollem Vertrauen, er würde alles tun, um ihr Leben zu retten.
Das schaffte er auch. Während der Behandlung kam es zu Komplikationen. Nach und nach konnte sie einzelne Eier ablegen, die beiden letzten Eier befanden sich jedoch in der Harnblase. Es gab nur zwei Möglichkeiten: die operative Entfernung, was jedoch ein hohes Verletzungsrisiko darstellt, und die konservative Behandlung mit Versuch des unterstützten, selbständigen Legens aus der Harnblase heraus. Gemeinsam entschieden wir uns für die zweite Möglichkeit.
Er klärte mich darüber auf, dass dies eine langwierige Behandlung werden würde, aber selbst eine Operation würde langwierige Nachbehandlung bedeuten. Herr Friz veränderte durch Infusionen den pH-Wert des Urins, um die mittlerweile sehr verkalkten Eierschalen anzudünnen und zu glätten. Tatsächlich schaffte mein Weibchen, ein Ei nach wochenlanger Behandlung aus der Harnblase heraus abzulegen. Das zweite Ei zerbrach in der Harnblase und musste nun mit dem Urin ausgeschieden werden. Stückchenweise konnte sie die Eischalenreste ausscheiden. Trotz wenigen restlichen Eischalen in der Blase entschied Herr Friz und ich, das tapfere Weibchen verkürzt starren zu lassen. Alles unter Aufsicht meines Tierarztes.
Mitte März 2024 kam die erlösende Email von Herrn Friz, dass ich meine mittlerweile wieder wache, aktive, gesunde Schildkröte nach 8 Monaten Aufenthalt nach Hause holen darf. Die Starre und somit Ruhephase gab ihr die Kraft, ihre letzten Eireste auszuscheiden. Herr Friz hat es geschafft, eine Operation zu umgehen, das Tier gut durch die Starre zu bringen und mir mein 18 jähriges Weibchen zurückzugeben.
VIELEN DANK HERR FRIZ !!!!
Genau aus diesem Grund ist es überaus wichtig, sein krankes Tier einem Fachtierarzt für Reptilien vorzustellen. Nur diese Tierärzte wissen, was zu tun ist. Dafür ist es oftmals notwendig, eine längere Autofahrt auf sich zu nehmen. Wir haben uns für diese Tiere entschieden und müssen die Verantwortung für die uns anvertrauten Lebewesen übernehmen!
Ursachen Legenot:
- Schlechte Haltungsbedingungen wie Kalthaltung, Terrarienhaltung, zu kleine Gehege, keine Legehügel bzw. keine geeigneten, sonnigen, lockeren Bereiche
- Stress durch aufdringliche Männchen und auch konkurrierende Weibchen, störende Menschen
- zu wenig UV-Strahlung
- zu wenig Kalziumaufnahme (falsches Futter, kein oder zu wenig Sepia / Algenkalk)
- zu kalte Temperaturen
Gutes Beobachten während der Legesaison ist äußerst wichtig! Zum Einen, um alle Gelege zu finden, um ungeplante Naturbruten zu verhindern, zum Anderen, um sicherzustellen, dass das Tier selbständig ihr Gelege ablegen kann und nicht unter der gefährlichen Legenot leidet.
Ganz verhindern kann man die Gefahr wohl nie, jedoch ist dafür zu sorgen, alle Parameter zu erfüllen, die diese Tiere für ein gesundes Leben benötigen (siehe Ursachen Legenot).
Behandlung Tierarzt Tobias Friz:
So vielgestaltig die möglichen Ursachen der Legenot, so unterschiedlich sind auch die Behandlungsstrategien. Ein ganz wichtiger und in vielen Fällen schon fast ganz allein zum Erfolg führender Aspekt ist die Bereitstellung von Calcium als essentieller Bestandteil von Infusionen. Es ist überraschend wie viele Schildkröten allein auf die mehrtägige Gabe von Calciuminfusionen positiv reagieren, an Kraft gewinnen, aktiver werden, wieder in der Lage sind Kot und Harn abzusetzen und schlussendlich mit der Wehentätigkeit beginnen. Allerdings erfordert dies Zeit und Geduld und das hat nicht jeder.
Somit wird sehr häufig auf das Wehen auslösende Hormon Oxytocin zurückgegriffen. Und in vielen Fällen sorgt dies dafür, dass die Eier zeitnah bis unmittelbar nach der „Wehenspritze“ gelegt werden. Doch nicht selten kommt es hierbei zu Komplikationen, die in vielen Fällen gar nicht erkannt werden: übertragene Eier bleiben im Becken stecken, Eier werden aufeinander geschoben, so dass es zum Schalenriss, manchmal auch dem Riss des Legedarmes kommt. Ist das Becken nicht auf die Eiablage vorbereitet und somit zu eng, können Eier in die Harnblase, in den Enddarm, bei Wasserschildkröten auch in die beiden als Wassertanks dienenden Analblasen rutschen. Dass es hierzu gekommen ist, wird dann nur bei weiteren Röntgenaufnahmen entdeckt.
Die Entfernung dieser versprengten Eier erfordert oftmals ein chirurgisches Vorgehen, d.h. die Eröffnung des Bauchpanzers mittels Sägeschnitt. Alternativ kommt noch die endoskopisch gestützte Entfernung nach Zerstörung der Eischale in der Harnblase oder dem Becken, dem Enddarm usw. in Frage. Ob diese Methode wirklich möglich und erfolgversprechend ist, hängt vom Einzelfall (v.a. der Größe des Tieres, der Knochenqualität des Panzers, der Erfahrung des Tierarztes usw.) ab. Aber all diese Überlegungen und Bemühungen sind es absolut wert, bedacht zu werden.