Sekundärlebensraum europäischer Landschildkröten

Ich finde, das man als Halter von europäischen Landschildkröten sich auch mit ihrem natürlichen Lebensraum auseinander setzen sollte. Wenn ich weiss, wie sie in ihren Habitaten leben, welche Bedingungen dort herrschen, was sie benötigen um gesund aufzuwachsen, dann versuche ich diese Bedingungen so gut wie möglich bei meinen Tieren in unseren Breitengraden umzusetzen. Leider hatte ich bisher noch nicht die Möglichkeit ihren natürlichen Habitaten zu besuchen (Stand Januar 2015). Doch mittlerweile gibt so vieles an wirklich guter Literatur.

Besonders gefallen hat mir das Buch von Wolfgang Wegehaupt, „Europäische Schildkröten-Lebensraum und Lebensweise“.

Sekundärlebensraum
Sekundärlebensraum-Wolfgang Wegehaupt

Hier wird sehr ausführlich der Lebensraum und die Lebensweise europäischer Schildkröten über den Jahresverlauf beschrieben.

Was mich zum Nachdenken brachte war das Kapitel über den Sekundärlebensraum. Mit Erlaubnis von Wolfgang Wegehaupt zur Veröffentlichung (nochmals vielen Dank!) wollte ich dieses Kapitel auf meiner Homepage bringen um noch mal zu verdeutlichen und sensibilisieren, wie wichtig eine naturnahe Haltung ist.

Auszug aus dem Buch: Europäische Schildkröten: Lebensraum und Lebensweise, gebundene Ausgabe-Januar 2012 von Wolfgang Wegehaupt

„Sekundärlebensräume sind nicht natürlich entstanden, sondern ausschließlich vom Menschen geschaffen worden. Europäische Landschildkröten können dauerhaft in Sekundärlebensräumen nur überleben, wenn dieselbe Eigenschaften wie ihre Primärhabitate aufweisen. Aus diesem Grund können nur die Degenerationsformen der einstigen Ur-Macchia, die heutige Macchia und die Garrigue als Sekundärlebensräume für europäische Landschildkröten bezeichnet werden.

Alle anderen gerne als Sekundärlebensräume genannten Areale wie Wiesen, Weiden, Weinberge, Olivenhaine, Plantagen, Begrenzungshecken von Äckern und Feldern, Haus- und Hotelgärten, Parkanlagen, Zeltplätze und ähnliche Flächen sind keine Sekundärlebensräume, sondern für europäische Landschildkröten bereits völlig zerstörte Habitate.

In solchen Arealen findet aufgrund der artspezifischen Habitatsansprüchen und der damit zusammenhängenden Lebensweise keine Populationsentwicklung mehr statt. Die wenigen dort noch lebenden Schildkröten können manchmal noch eine Zeit lang den unzähligen Gefahren trotzen. In einigen Fällen legen die Weibchen sogar Eier aus denen bei günstigen Umständen möglicherweise auch weiterhin Jungtiere schlüpfen. Allerdings finden diese Jungtiere dort nicht die für ihr Überleben notwendigen Mikroklimate, weshalb sie sich nicht mehr bis zu einem gesunden adulten Tier entwickeln können. Letztlich kommt es aufgrund vielfältiger zusätzlicher Gefahren zum lokalen Aussterben der Schildkröten.

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Letzte Aktualisierung am 2024-12-10 . * = Affiliate Links- Bilder von der Amazon Product Advertising API Haftungsausschluss für Preise

Selbst in er noch nicht völlig zerstörten Arealen, wie beispielsweise manche Berghänge auf denen durchziehende Ziegen- und Schafherden weiden, ist die ursprüngliche Habitatsstruktur und somit die zur Arterhaltung erforderliche Lebensraumqualität nicht mehr vorhanden. Auch hier findet keine natürliche Populationsentwicklung mehr statt. In den meisten veränderten Lebensräumen leben die Schildkröten nicht anders als in einem großen Gehege und müssen sich mit den vorhandenen Gegebenheiten begnügen. Immer ist der Wandertrieb durch Legesteinmauern und Zäune stark eingeschränkt oder wird durch umliegende Felder und anderen ungünstige Flächen beeinträchtigt. In solchen Arealen gibt es keine geeignete Eiablageplätze, weshalb die Eier an allen möglichen Ersatzorten über das gesamte Gelände verteilt abgelegt werden. Die Eier entwickeln sich kaum noch in dem erforderlichen feuchtwarmen Mikroklima, weswegen vermehrt alle möglichen Missbildungen und Anomalien auftreten. Die Schlüpflinge und die Jungtiere wachsen nicht mehr im engen Verband in den feuchten Bereichen in und um die Legegebiete auf. Die meisten Schlüpflinge vertrocknen bereits während der Entwicklung im Ei oder wenige Tage nach dem Schlupf schutzlos in der sengenden Sonne. Die wenigen überlebenden Tiere wachsen wegen des zu trockenen und zu heißen Mikroklimas zudem höckerig und unförmig.

Die einzelnen dennoch durchkommenden Jungtiere sind später nicht mehr in der Lage, aus den inselartigen, sehr kleinflächigen, von Agrarland eingeschlossenen Arealen in andere Gebiete abzuwandern. Der fehlende Genaustausch ist hier sicherlich das kleinste Problem, weil die Schildkröten in diesen Gebieten die negativen Auswirkungen eines erschöpften Genpools nicht mehr erleben werden.

Die jungen Schildkröten müssen ihr angeborenes Instinktverhalten dennoch ausleben und wandern als juvenile Tiere in das umliegende Land ab, um sich eine geeignete Wärmeinsel zu suchen. Auf diesen aussichtslosen Wanderungen werden die Tiere oft schon beim überqueren der Wege und Straßen überfahren und fallen in den nächsten Jahren vielfältigen anderen gefahren zum Opfer. Selbst die Schlüpflinge wandern auf der Suche nach einem feuchten Mikroklima bereits weiträumiger umher, als sie dies in ihrem Primärlebensräumen tun würden. Sie werden dadurch wesentlich häufiger von Räubern entdeckt und ebenfalls beim Überqueren von Wegen und Straßen überfahren.

Schildkröten sind keine Kulturfolger. Sie dringen nicht etwa, wie immer behauptet wird, bis auf landwirtschaftliche Flächen vor, sondern sie leben nach wie vor in ihrem angestammten Lebensraum, den adulte Schildkröten aufgrund ihrer angeborenen Ortstreue nicht verlassen können.“

 

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